Lovebombing in Sekten

Lovebombing als Mittel zur Mitgliedergewinnung

Wenn ich mit Mitmenschen ins Gespräch gehe, um über meine Vergangenheit in einer religiösen, fundamentalistischen Randgruppierung zu sprechen, höre ich immer wieder: Das könnte mir nie passieren! Dass es eben doch jedem passieren kann, beschreibe ich in einem meiner vorherigen Blogartikel zum Thema „Warum wenden sich Menschen Sekten zu?“ vom 30. April 2021.

Ein wichtiger Bestandteil des „Menschenfischens“ ist dabei das sogenannte „Lovebombing“. Kein Begriff, den ich mir selbst aus dem Ärmel schüttele. Das Lovebombing ist ein bekannter Begriff, der von Sektenaufklärern und Personen, die sich mit Weltanschauungsfragen auseinandersetzen, benutzt wird.

Wie funktioniert Lovebombing?
Sobald man als Interessierter die ersten freundlichen Kontakte zu Mitgliedern solcher Gruppierungen zulässt, wird die nächste Stufe gezündet. Das Lovebombing kommt zum Einsatz.
Einladungen zu gemeinsamen Treffen mit anderen Anhängern werden ausgesprochen. Wenn man dann als Neuling Zusammenkünfte oder Meetings einer solchen Bewegung besucht, wird man sofort mit Zuneigung, Wärme, Liebe, scheinbar aufrichtigem Interesse an der eigenen Person und mit Freundschaft überschüttet. Regelrecht überrumpelt. Immer wieder bekommt man gesagt, wie schön es sei, bei ihnen zu sein. Man fühlt sich von all den positiven Gefühlen umschlungen, aufgefangen und mitgenommen. Es ist faszinierend und wohltuend zugleich.

Der Mensch als soziales Wesen
Wir Menschen brauchen Zuneigung und Liebe, wie wir auch Nahrung und Luft zum Überleben brauchen. Ein jeder von uns. Wem tut es nicht gut, umarmt zu werden und tiefe, scheinbar ehrliche Zuneigung und Aufmerksamkeit zu erfahren? Wenn man sich zum Beispiel in einer schwierigen Lebenssituation befindet, dann kann der unheilsame Samen schnell aufgehen. Denn es wird einem Glauben gemacht, in der Gemeinschaft alle Antworten zu finden auf alle Fragen des Lebens, vor allem auf die nach dem Sinn unseres Daseins.
Es wird einem Glauben gemacht..…, denn später wird sich dieses Verhalten verändern und übergehen in Kontrolle und Bewusstseinssteuerung. Bis das geschieht, bemerken wir es nicht mehr. So sehr wurden wir nach und nach, ganz unmerklich ins Netz der Gruppe verstrickt. Ausbruch beinahe aussichtslos!

Vorsicht – Merkmale einer sektenhaften Gruppierung
Wir sollten immer vorsichtig sein, wenn wir auf eine in sich geschlossene Gruppierung treffen. Was nicht heißt, deshalb gleich paranoid zu werden. Nicht hinter jeder Gruppierung stecken ein sektenhaftes Geflecht oder bewusstseinskontrollierende Mechanismen.
Mit ein paar ganz einfachen Fragen kann man destruktive Sekten, Glaubensgemeinschaften oder Kulte relativ schnell entlarven:

– Beansprucht die Gruppe für sich, dass nur sie die alleinige Wahrheit hat?
– Behauptet die Gruppe, nur durch sie ist wahres Seelenheil und Rettung zu erfahren?
– Gilt die Führerschaft als unantastbar?
– Darf die Führerschaft nicht angezweifelt oder kritisiert werden?
– Benutzt die Gruppe gar eine „eigene Sprache“ (sogenannte Tendenzsprache)?
– Ist eigene Literatur vorhanden, die intensiv studiert werden soll, und zwar nur diese?
– Werden ebenso eigens produzierte Videos zur Indoktrination verwendet?
– Wird viel Zeit für gemeinsame Treffen aufgewendet?
– Ist Literatur von Aussteigern und Aufklärern verboten, gar verteufelt?
– Wird der Kontakt zu Aussteigern generell verringert oder gar unterbunden?
– Gibt die Gruppe vor, mit wem man Umgang pflegen sollte und mit wem nicht?
– Werden sexuelle Belange vorgeschrieben? (Homophobie, Kein Sex vor der Ehe, Masturbationsverbot)?
– Mischen sich die Lehren in Fragen der Gesundheit ein? Bluttransfusionsverbot?
– Wird der Kleidungsstil vorgeschrieben?
– Wird absoluter Gehorsam verlangt?
– Wer die Gruppe verlässt ist undiszipliniert, weltlich, abtrünnig, schwach?

Der amerikanische Sektenspezialist Steven Hassan (s.u.) beschreibt in seinen Büchern exakt oben genannte Vorgehensweisen und Konstrukte.

Dies sind nur einige Punkte, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf eine sektenhafte Struktur hinweisen.
Im Übrigen lässt sich dieses „Wir-haben-die-Wahrheit“-Denken nicht nur in religiösem Kontext finden. Auch in Wirtschaftszweigen und Politiksekten ist es vorzufinden.

Achtsam sein!
Deshalb: Immer wachsam bleiben. Stets hinterfragen und das eigene Bauchgefühl, die innere Stimme nicht übergehen. Wenn du weder zweifeln, noch Kritik am System üben darfst, dann sollten deine Alarmglocken schrillen!

Wenn du Fragen dazu hast, stehe ich dir gerne zur Verfügung.
Schicke mir gerne eine eMail an praxis@esthergebhard.de


Alles Gute, Deine Esther

Steven Hassan
„Freiheit des Geistes“ und „Ausbruch aus dem Bann der Sekten“