Update zum Buchprojekt mit Leseprobe

Immer wieder werde ich gefragt, wann denn endlich mein Buch erscheint.

Wenn es nach mir ginge, wäre es schon längst veröffentlicht, der Deckel sprichwörtlich zu und die Tagebücher meiner Jugend feierlich dem Feuer übergeben.
Wer weiß? Vielleicht hätte ich meinem Vater ein Exemplar mit einer persönlichen Widmung geschickt?
Mit ein paar Fotos seiner Enkelkinder, die er nicht kennt?
Genau heute, am 9. Mai 2025, hübsch verpackt als Geburtstagsgeschenk für ihn?
Aber mein Vater feiert keine Geburtstage. Mein Vater ist Zeuge Jehovas. Seit über 30 Jahren haben wir uns weder gesehen, noch gesprochen. Meine Kinder kennen ihn nicht.
Die gängige Ächtungspraxis der Zeugen Jehovas macht auch vor den engsten Blutsverwandten nicht Halt.
Aber das ist ein anderes Thema…

Manchmal kommen Dinge anders, als wir sie uns wünschen.
Mein Buchprojekt zum Beispiel:
Die Recherchen und das Abtauchen in längst vergangene Zeiten hat mich viel Kraft gekostet. Alte Traumata aufbrechen und ansehen – das alles ohne Begleitung – hat mich an den Rand des mir Möglichen gebracht, bzw. bis darüber hinaus.
Und dann machte die Gesundheit nicht mehr mit. Meine Seele sagte STOP!
Ein wichtiger Zeitpunkt innezuhalten und zu überprüfen, ob ich meine Seiten wirklich herausbringen möchte.
Oder ob das Manuskript in der Tonne landet, samt aller Investitionen, die ich bisher dafür geleistet habe.
Viel Geld, Lebenszeit und Gesundheit.

Überlegungen wie diese brauchen Zeit.
Ich ging Offline. Meine Stimme ging offline.
Im Netz und auch im Aktivismus gegen eine Organisation, die auf den Seelen von Menschen herumtrampelt und die eine oder andere gar auf dem Gewissen hat. Beinahe wäre ich eine von ihnen gewesen.

Ich glaube noch an die Moral der Geschichte von David gegen Goliath. Der Kleinere erledigt den grossen Philister mit einem gezielten Schuß seiner Steinschleuder an die Stirn des mächtigen Kriegers Goliath.
Möge mein Buch eine Steinschleuder sein, das mit seinen darin enthaltenen Worten die Organisation der Sekte wie schwere Steine am Kopf trifft.

Ich danke allen, die mir in dieser Zeit zuhörten, mir echte oder virtuelle Umarmungen schenkten und mich mit lustigen Videos aufheiterten. Danke an alle, die mich bei Recherchen unterstützten, deren wertvolles Wissen und Zeit ich anzapfen durfte und die mich an ihrem literarischen und schriftstellerischen Können teilhaben ließen.
(Dankesseite(n) samt Namensnennung gibts im Buch dann extra!)
Ihr seid Gold wert!

Ein bisschen Zeit brauche ich aber noch.
Derzeit bin ich auf Verlagssuche. Auch hier heisst es, Geduld üben!
Das Wort „Geduld“ existiert so gar nicht in meinem persönlichen Vokabular. Leider.

Bis dahin: hier für Euch das erste Kapitel meines Buches.

TRIGGERWARNUNG: Es geht um Suizidalität, Suizid, Depressionen, Gewalt und Tod.

Wie ging es Euch beim Lesen? Kennt Ihr diese Gefühle und Gedanken?
Ich würde mich freuen, von Euch zu lesen!

Eure Esther




Kapitel 1

Ich würde gerne mit Ihnen über Gott sprechen, aber Gott war nie an meiner Seite. Nicht als Zeugin Jehovas, nicht als Ausgeschlossene dieser Gemeinschaft und noch weniger an jenem Tag, als ich mit dem kümmerlichen Rest meines Glaubens in mein Auto steige und mich selbst in eine psychosomatische Klinik in Oberstdorf einweise.

Ich bin nie gut genug für Gott. Gott, so scheint es, ist mein Feind.

Am 11. November 2009 sitze ich um sieben Uhr morgens in meinem silbernen Nissan Primera mit dem Spitznamen „Mayling“. Ich weiß nicht, ob ich am Ziel ankommen werde. Ich traue mir selbst nicht über den Weg. Immer wieder überkommt mich der Drang, das Lenkrad herumzureißen und Mayling mit durchgedrücktem Gaspedal gegen irgendetwas zu donnern. Häuser, Wände, Brückenpfeiler.

Gegen ein erlösendes Nichts.

Lange Zeit habe ich einen Bogen um das Auto gemacht. Musste ich dennoch einsteigen, vermied ich unter allen Umständen, dass meine Töchter mitfuhren.

Es ist ein milder Novembermorgen, nebelig und frühlingshaft. Dieser November, so das Radio, ist einer der drei wärmsten seit 1881. Mein Wintermantel liegt zu Hause. Ich trage Turnschuhe, Jeans und einen schwarzen Pullover. Heute ist mein neununddreißigster Geburtstag und vielleicht mein Todestag.

Die Finger klammern sich um das Lenkrad. Mein Halt für die nächsten zwei Stunden. Ich folge mit Mühe der Route nach Oberstdorf. Die Angst, meine Töchter und mein Mann könnten mit mir und meinetwegen in der von Gott losgetretenen Endzeitschlacht „Harmagedon“ sterben, ist übermächtig. In „Harmagedon“ sterben die Menschen, die nicht an Gott und seine Organisation glauben, nicht nach ihren Maßstäben leben und sich nicht fügen. Ich füge mich nicht. Seit neunzehn Jahren bin ich unfügsam, wenn auch nur durch Abwesenheit von der Gemeinschaft. Dennoch üben die Lehren der Zeugen Jehovas Kontrolle über meinen Verstand aus. Ich war den Tiefen der Organisation entkommen; gleichwohl lauerte die Organisation in den Tiefen meines Innersten. Unablässig. Die in Kindertagen begonnene Gedankenkontrolle funktioniert einwandfrei. Ich möchte die Zeugen Jehovas und ihre furchteinflößende Religion loswerden. Mich von ihnen und der Jahrzehnte in mir schwelenden Todesangst befreien. Deshalb gehe ich in eine Klinik. Freiwillig.

1991 schloss mich die Organisation in Schongau aus. Ich hatte eine Sünde begangen, weil ich ohne Trauschein ein Kind erwartete. Meine erste Schwangerschaft war der Auslöser meines Rauswurfs. Meine Tochter, das erste echte Glück meines bis dahin trostlosen Lebens. Reue lag mir fern. Ich kehrte der Gemeinschaft entschlossen den Rücken. Errettung ist für mich seitdem unmöglich, das Tor zum Paradies verschlossen. Stattdessen stehe ich auf der Seite Satans und seiner Dämonen. Dafür werde ich in „Harmagedon“ hingerichtet. Ich habe versagt und bin dem Tod geweiht, und mit mir meine Familie. Wir werden im Krieg Gottes sterben. Das ist für einen Nichtreligiösen eine aberwitzige Vorstellung; für mich ist es eine reale Urangst, die mir die Lehren der Zeugen Jehovas als Kind einpflanzten. Ein unheilvoller Samen, aus dem ein gefügiger Mensch erwächst.

Während sich die linientreuen Mitglieder freuen, dass Gott in seinem Krieg die Erde von den Gottlosen säubert, leben manche Aussteiger wie ich, die den Absprung von dieser Gruppierung schaffen, in ständiger Angst. Eine irrationale Todesangst, die sich bei mir schleichend in Todessehnsucht verwandelte. Schuld daran ist mein Wissen, eine Sünderin zu sein. Warum habe ich nie hinterfragt, ob dieses mir mitgegebene Wissen Wahrheit ist?

Mir wird die Luft knapp bei diesen Gedanken, ich kurble das Fenster herunter. Auf dem Beifahrersitz klingelt mein Handy immerzu. Freunde und Kollegen, die mich heute und die nächsten Wochen nicht erreichen werden. Meine Familie.

Im Morgenlicht verlasse ich das Haus. Das Einzige, was für mich zählt, ist die Ankunft in der Klinik, koste es, was es wolle. Ich muss meinen Verstand säubern, alles bei den Zeugen Jehovas Gehörte und Gesehene auslöschen. Ich möchte die Todesangst niederbrennen und ihre Asche im Wind verstreuen.

Bei jedem Geräusch durchzuckt es mich, jede Verfärbung der Wolken treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Die Selbstmordgedanken lauern zwischen den dahin streichenden Minuten. Wenn ich sterben muss, warum nicht aus eigener Hand? Das erledige ich und nicht eine Heerschar von Engeln. Mich überkommen Fantasiebilder von meinen Töchtern. Sie verbrennen bei lebendigem Leib und rufen mit weit aufgerissenen Augen: “Hilf uns, Mami!“

Und ich?
Ich tue nichts, ich stehe selbst im Feuer.
Flammen lichterloh.
Außer …

Außer, ich kehre um. Jetzt auf der Stelle. Zurück zu den Zeugen Jehovas. In den sicheren Hafen zu Gott, meinem Beschützer. Aber Gott liebt mich nicht. Nicht mehr.

Auf einer einsamen Landstraße fließen die Tränen. Ich lasse das Lenkrad los. Die Sonne drückt gegen die Wolken. Es ist Mittwoch und die Straße trotz Berufsverkehrs wenig befahren.

Ich bringe niemanden in Gefahr.

So viele Jahre war ich um einiges stärker. Ich schob die düsteren Gefühle und die Schuld von mir. Ich funktionierte. Aber die Anstrengung zehrte an der Selbstbeherrschung. Es ist nicht mehr viel von mir übrig.

Die letzten Wochen vor dieser Fahrt verbrachte ich schlaflos im Bett, tagsüber und nachts, und weinte pausenlos. Ein See nicht geweinter Tränen quoll unentwegt in mir hinauf zur Kehle. Ich kämpfte darum, den Kopf über Wasser zu halten und nicht darin zu ertrinken. Wenn ich meine Augen schloss, sah ich mich erhängt an der Wohnzimmergalerie. Wie einst die Mutter meiner Tante Anni im Gefängnis. Elsa, die 1944 von den Nazis für ihre Treue zu den Zeugen Jehovas und ihre Aktivitäten im Untergrund hingerichtet wurde. Mein Vater erzählte mir von dieser barbarischen Hinrichtung in allen Einzelheiten, als ich ein Kleinkind war. Ich hatte eine lebhafte Fantasie und sah Elsa mit der Bibel um den Hals an einem Fleischerhaken zappeln. Und das nur, um Gott in einer der schlimmsten Verfolgungen des 20. Jahrhunderts gefällig und bald im ersehnten und versprochenen Paradies zu sein.

Die Vorstellung, mein Mann oder meine Töchter fänden mich leblos, hielt mich bisher davon ab, mich zu töten.

Ich möchte nicht sterben.
Ich möchte tot sein.

Auf der anderen Seite möchte ich die Zeit, die mir mit meiner Familie auf Erden bleibt, ausschöpfen. Lebenszeit haben mir die Zeugen Jehovas genug gestohlen. Wie konnte ich so lange im Dunkeln leben? Bei dem Glück, das mir trotz allem zuteilwurde? Ich, die starke und immer lustige Esther, die als Entertainerin, Frontfrau, Sängerin und Bassistin bekannter deutscher Bands weltweit tourt und so vielen Menschen Freude schenkt. Ich, die ein so besonderes Leben lebt, das sich andere erträumen. Bewunderung, Fans, Autogramme, Konzerte, Fernsehauftritte, Radiointerviews, Fototermine, Studioarbeit. Eine schöne Fassade, durch die nichts eindringt. Mich nichts berührt. Mich, Esther, die Abtrünnige, die Sünderin. Bald hingerichtet in Gottes großer Schlacht.

Das Auto schlingert und ich fuchtele herum. Mit Ach und Krach lenke ich den Wagen zurück in die Spur. Ich mache Rast an einem Parkplatz. Das Autoradio berichtet, dass Torwart Robert Enke sich am Vortag das Leben genommen hat. Ein Zug erfasste ihn. Er starb unweit seines Wohnortes. Ich schwanke zwischen Neid und Leid.

Er hat es geschafft.
Er hat es getan.
Die arme Familie!

Ich fahre wieder. Langsam, aber ich fahre. Es ist nicht mehr weit. Je näher die Klinik rückt, desto massiver pocht mein Herz. Was auch immer mich am Ende der Autofahrt erwartet, ich gehe das Risiko ein. Ich suche mir Hilfe! Meine Geschichte soll eine Wendung haben; bis hierhin ist es eine Geschichte voller Scham, endend im Burn-out mit schweren Depressionen und dem Wunsch, meinem Leben ein Ende zu setzen. Da muss mehr sein!

Als ich das Ortsschild „Oberstdorf“ passiere, zittere ich. Hastig nehme ich einen Schluck aus der Energydrink-Dose und lutsche ein „Fisherman‘s Friend“. Mein Frühstück, wie jeden Tag. Es erfrischt den Geist.

Oberstdorf.

Erinnerungen ploppen auf. 20 Jahre zuvor begann in Oberstdorf bereits ein schwerer Weg für mich, als ich mich von der Idee einer damaligen Glaubensschwester mitreißen ließ und mit ihr den Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran wanderte. Etliche Male wollte ich umkehren, weil meine Kräfte schwanden. Etliche Male verfluchte ich mich und diese bescheuerte Idee, weil mein Körper schmerzte, meine Füße bluteten und ich nicht mehr konnte und wollte. Doch ich hielt die Qualen durch. Schritt für Schritt schaffte ich die Alpenüberquerung.

Auch diesmal ist Aufgeben keine Option!

In wenigen Augenblicken werde ich nicht auf einem Gipfel der Allgäuer Berge stehen und das Alpenpanorama genießen. Ich werde Patientin einer psychosomatischen Klinik sein, in die ich mich mit dem letzten Funken Vernunft und Mut selbst einweise.

Meine Töchter sind zwölf und achtzehn Jahre alt, mein Mann mein furchtloser Begleiter. Die Drei lieben mich bedingungslos und haben meinen Entschluss akzeptiert, auch wenn es schwerfällt. Ich lasse meine Familie für unbestimmte Zeit zurück. Nur getrennt von ihnen kann ich um mein Über- und Weiterleben kämpfen. Meine Töchter sehnen sich nach einer lebensfrohen Mama, und mein Mann wünscht sich seine Frau zurück. Witzig, ein wenig durchgeknallt mit einer guten Portion schwarzem Humor.

Auf dem Klinikparkplatz verharre ich mit der Handtasche auf dem Schoß. Der Energydrink ist leer.

Ich steige aus. Das Leder meiner Handtasche fest in beiden Händen, schleiche ich auf das flache, kalkblasse Gebäude zu. Meine Beine sind träge. Ich bin so müde und überlege, den Klinikaufenthalt abzusagen. Ich will nach Hause. In die Arme meiner Familie.

Auf meinem Weg halte ich vor einer monströsen Pfütze inne. Ein Stoppschild. Ich kann mich nicht entscheiden. Soll ich um das Loch herumgehen oder darüber springen? Ich wate hindurch. Die Pfütze ist nicht tief.

Am Klinikeingang hängt ein Schild. „ADULA Klinik, Porta patet – magis cor.“ Es bedeutet „Die Tür steht offen – mehr noch das Herz“. Und die Tür steht mir offen, sperrangelweit, und lockt mich hinein. Meine Füße gehorchen nicht sofort. Sie sind eiskalt und nass.
Doch dann flüstere ich mir zu: „Nur wer hineingeht, kommt auch wieder heraus.“


English Version for my friends in the US

Chapter 1

I would like to talk to you about God, but God has never been by my side. Not as a Jehovah’s Witness, not as an outcast of this community and even less on that day when I get into my car with the meagre remnants of my faith and admit myself to a psychosomatic clinic.

I am never good enough for God. God, it seems, is my enemy.

On November 11, 2009, I’m sitting in my silver japanese car nicknamed “Mayling” at seven o’clock in the morning. I don’t know if I’ll make it to my destination. I don’t trust myself. Again and again I am overcome by the urge to turn the steering wheel and thunder Mayling into something with the accelerator pedal pressed down. Houses, walls, bridge pillars.

Against a redeeming nothingness.

For a long time, I avoided using the car. If I had to get somewhere, I avoided letting my daughters get in – at all costs.

It’s a mild November morning, foggy and spring-like. According to the radio, this November is one of the three warmest since 1881. My winter coat is at home. I’m wearing sneakers, jeans and a black sweater. Today is my thirty-ninth birthday and perhaps the anniversary of my death.

My fingers clutch the steering wheel. My stop for the next two hours. I follow the route with difficulty. The fear that my daughters and my husband could die with me and because of me in the end-time battle “Armageddon” set in motion by God is overpowering. In “Armageddon”, people who do not believe in God and his organization, who do not live according to their standards and who do not submit, will die. I do not submit. I have been noncompliant for nineteen years, if only by being absent from the community. Still, the teachings of Jehovah’s Witnesses exert control over my mind. I had escaped the depths of the organization; nevertheless, the organization lurked in the depths of my innermost being. Incessantly. The mind control that began in my childhood works perfectly. I want to get rid of Jehovah’s Witnesses and their terrifying religion. To free myself from them and the fear of death that has been smouldering inside me for decades. That’s why I’m going to a clinic. Voluntarily.

In 1991, the organization in Schongau disassociated me. I had committed a sin because I was expecting a child without a marriage license. My first pregnancy was the trigger for my expulsion. My daughter was the first real happiness of my life, which had been bleak until then. I had no regrets. I resolutely turned my back on the community. Salvation has been impossible for me ever since, the door to paradise closed. Instead, I am on the side of Satan and his demons. For this I will be executed at Armageddon. I have failed and am condemned to death, and my family with me. We will die in God’s war. For a non-religious person, this is a ludicrous idea; for me, it is a real primal fear that the teachings of Jehovah’s Witnesses implanted in me as a child. An ominous seed from which a compliant person grows.

While the loyal members rejoice that God is cleaning the earth of the wicked in his war, some dropouts like me who make the leap from this group live in constant fear. An irrational fear of death, which for me gradually turned into a longing for death. My knowledge that I was a sinner was to blame. Why have I never questioned whether this knowledge I was given is the truth?

My breath is getting short at these thoughts and I roll down the window. My cell phone keeps ringing in the passenger seat. Friends and colleagues who won’t be able to reach me today or for the next few weeks. My family.

I leave the house in the morning light. The only thing that matters to me is arriving at the clinic, whatever the cost. I have to clear my mind, erase everything I’ve heard and seen from Jehovah’s Witnesses. I want to burn down the fear of death and scatter its ashes in the wind.

Every sound sends shivers through me, every discoloration of the clouds brings sweat to my brow. Suicidal thoughts lurk between the passing minutes. If I have to die, why not by my own hand? I’ll do it, not a host of angels. I am overcome by fantasy images of my daughters. They burn alive and cry out with wide open eyes: “Help us, Mommy!”

And me?
I do nothing, I’m in the fire myself.
Flames blazing brightly.
Except …

Unless I turn back. Now on the spot. Back to the Jehovah’s Witnesses. To the safe haven of God, my protector. But God doesn’t love me. Not anymore.

Tears flow on a lonely country road. I let go of the steering wheel. The sun pushes against the clouds. It’s Wednesday and the road is not very busy despite the rush hour.

I’m not putting anyone in danger.

For so many years, I was a lot stronger. I pushed the gloomy feelings and the guilt away from me. I was functioning. But the effort sapped my self-control. There’s not much left of me.

I spent the last few weeks before this trip sleepless in bed, day and night, crying non-stop. A lake of unshed tears welled up incessantly in my throat. I struggled to keep my head above water and not drown in them. When I closed my eyes, I saw myself hanging from the living room gallery. Like my aunt Anni’s mother once did in prison. Elsa, who was executed by the Nazis in 1944 for her loyalty to the Jehovah’s Witnesses and her underground activities. My father told me about this barbaric execution in great detail when I was a toddler. I had a vivid imagination and saw Elsa wriggling on a meat hook with the Bible around her neck. And all this just to please God in one of the worst persecutions of the 20th century and to soon be in the longed-for and promised paradise.

The idea that my husband or my daughters would find me lifeless has so far prevented me from killing myself.

I don’t want to die.
I want to be dead.

On the other hand, I want to make the most of the time I have left on earth with my family. Jehovah’s Witnesses have stolen enough of my life. How could I live in the dark for so long? With the happiness that I was given despite everything? Me, the strong and always funny Esther, who tours the world as an entertainer, front woman, singer and bass player for well-known German bands and brings joy to so many people. Me, who lives such a special life that others dream of. Admiration, fans, autographs, concerts, TV appearances, radio interviews, photo shoots, studio work. A beautiful façade through which nothing penetrates. Nothing touches me. Me, Esther, the apostate, the sinner. Soon to be executed in God’s great battle.

The car lurches and I flail around. I steer the car back into the lane with difficulty. I stop at a parking lot. The car radio reports that goalkeeper Robert Enke took his own life the day before. He was hit by a train. He died not far from where he lived. I vacillate between envy and sorrow.

He did it.
He did it.
Poor family!

I’m driving again. Slowly, but I drive. It’s not far now. The closer I get to the clinic, the harder my heart pounds. Whatever awaits me at the end of the drive, I’ll take the risk. I’m looking for help! My story is supposed to have a twist; up to this point it has been a story full of shame, ending in burnout with severe depression and the desire to end my life. There has to be more!

As I pass the “Oberstdorf” sign, I tremble. I hastily take a sip from the energy drink can and suck on a Fisherman’s Friend. My breakfast, like every day. It refreshes the mind.

Oberstdorf.
Memories pop up. 20 years earlier, a difficult path had already begun for me in Oberstdorf when I got carried away by the idea of a sister in faith at the time and hiked the E5 long-distance hiking trail from Oberstdorf to Merano with her. I wanted to turn back several times because my strength was waning. Several times I cursed myself and this stupid idea because my body ached, my feet bled and I couldn’t and didn’t want to go on. But I persevered through the agony. Step by step, I managed to cross the Alps.

Giving up is not an option this time either!

In a few moments, I won’t be standing on a summit of the Allgäu mountains enjoying the Alpine panorama. I will be a patient in a psychosomatic clinic, where I will admit myself with my last shred of sanity and courage.

My daughters are twelve and eighteen years old, my husband my fearless companion. The three of them love me unconditionally and have accepted my decision, even if it is difficult. I am leaving my family behind for an indefinite period of time. Only apart from them can I fight to survive and carry on living. My daughters are longing for a mom who is full of life, and my husband wants his wife back. Funny, a little crazy with a good dose of black humor.

I stop in the hospital parking lot with my handbag on my lap. The energy drink is empty.

I get out of the car. Holding the leather of my handbag tightly in both hands, I creep towards the flat, pale building. My legs are sluggish. I’m so tired I’m thinking of canceling my stay at the clinic. I want to go home. Into the arms of my family.

On my way, I pause in front of a monstrous puddle. A stop sign. I can’t make up my mind. Should I walk around the hole or jump over it? I wade through it. The puddle is not deep.

There’s a sign at the clinic entrance. “ADULA Clinic, Porta patet – magis cor.” It means “The door is open – even more the heart”. And the door is open to me, wide open, and beckons me in. My feet don’t obey immediately. They are freezing cold and wet. But then I whisper to myself: “Only those who go in will come out.”



Copyright Esther Gebhard, Hohenpeißenberg

Kopie und Weitergabe nur nach schriftlicher Genehmigung – Kontakt: info@esthergebhard.de

10 Gedanken zu „Update zum Buchprojekt mit Leseprobe

  1. Klaus Hacker Antworten

    Liebe Esther.
    Ich habe Gänsehaut und Tränen in den Augen, kann ich doch Deine Gefühle von damals gut nachempfinden, auch wenn sie bei mir nicht ganz so stark ausgeprägt waren.
    Danke, dass Du Deine Geschichte erzählst. Sie wird ganz sicher vielen Mut machen.
    Ich freue mich darauf und wünsche Dir viel Kraft und Gelingen.
    Ganz liebe Grüße, Klaus.

    • Esther Gebhard Autor des BeitragsAntworten

      Danke für deine lieben Zeilen, lieber Klaus!
      Viele Grüsse aus dem Voralpenland von Esther

  2. Barbara Kohout Antworten

    Liebste Esther, Wow!!!! Ich war gefesselt von der ersten bis zur letzten Zeile. Das Buch muss!!!! veröffentlicht werden. Die Suche nach einem Verlag ist zur Zeit eine riesen Herausforderung. Ich habe mein neuestes Projekt aus diesem Grund auf Eis gelegt. Frau Dannhoff, vom Scholastika-Verlag in Stuttgart würde es zwar sofort veröffentlichen, doch ihr fehlen gerade wegen der Flaute auf dem Büchermarkt die finanziellen Mittel. Ich möchte Dir empfehlen, Dich an sie zu wenden. c.dannhoff@scholastikaverlag.com. Sie hat das Buch von Bianca Weggartner aus Töging unter dem Pseudonym Anca E. Wimmer verlegt.
    Du kannst Dich auf mich berufen und Frau Dannhoff sagen, dass ich zu Deinen Gunsten mit meiner Veröffentlichung zurücktreten würde.
    Sobald Dein Buch in der Spiegel Bestseller Liste ganz oben gelandet ist, und die Übersetzung auch noch in englisch erschienen ist, wird der Scholastika Verlag so viel finanziellen Spielraum haben, dass auch mein Roman veröffentlicht werden kann.
    Ich wünsche uns allen so viel Glück wie es Wassertropfen im Meer gibt.

    • Esther Gebhard Autor des BeitragsAntworten

      Liebe Barbara, danke von Herzen für deine lieben Worte und Angebot.
      Du weisst ja, du hast deinen Platz im Buch ganz sicher.
      Und als eine meine Testleserinnen und Kritikerinnen (im positivsten Sinne): Hast du den von dir vorgeschlagenen Satz wiedererkannt?
      Umarmung – und hoffentlich ein baldiges Wiedersehen
      Deine Esther

  3. Gerd Antworten

    Liebe Esther,
    man ahnt nicht, was hinter dir als starke Persönlichkeit steckt. Hätte ich nicht gedacht und: Respekt, Hut ab!
    Mutig und stark du bist!
    Gerd

    • Esther Gebhard Autor des BeitragsAntworten

      Danke Gerd!
      Auch dir alles Gute und Liebe!
      Esther

  4. Rolf Passargus Antworten

    Hallo Esther,

    diese Zeilen haben mich sehr berührt.
    Der mutige Weg von dir, sich aus den Fesseln von Angst und Schuld zu befreien, ist beeindruckend und schmerzhaft zugleich.
    Man spürt förmlich den inneren Kampf, die Verzweiflung, aber auch die Hoffnung auf Heilung und ein freies Leben.

    Danke, dass du uns an dieser bewegenden Reise teilhaben lässt – sie macht Mut und gibt Hoffnung.

    Viele liebe Grüße,
    Rolf

    • Esther Gebhard Autor des BeitragsAntworten

      Lieber Rolf,
      ich habe mich gefreut, deine Zeilen zu lesen.
      Ja, der Weg aus einem solch inneren Gefängnis kann ein schwerer Kampf sein.
      Die Wunden und Narben bleiben oft ein Leben lang.
      Lieben Gruss zu Dir, Esther

  5. Doris Melsheimer Antworten

    Liebe Esther,

    vielen Dank für die Veröffentlichung des Kapitels 1 deines geplanten Buches! Was für ein tief beeindruckender, bewegender und mutiger Inhalt! Deine Offenheit und Ehrlichkeit sind zutiefst berührend. Es erfordert enorme Stärke, so offen über die eigenen Verletzungen, Ängste und dunklen Momente zu schreiben – insbesondere, wenn diese so eng mit der eigenen Vergangenheit, tiefgreifenden Traumata und der Wachtturm Sekte verbunden sind.

    Du schaffst es, die Leserinnen und Leser unmittelbar in deine Gefühlswelt mitzunehmen. Deine Worte sind klar, kraftvoll und authentisch. Man spürt die Schwere der Erlebnisse, aber auch den festen Willen, nicht aufzugeben! Besonders beeindruckend ist für mich, wie du trotz aller Verzweiflung und Erschöpfung die Courage gehabt hast, professionelle Hilfe zu suchen und dich selbst nicht aufzugeben. Das ist alles andere als selbstverständlich!

    Deine Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die dich unterstützen, und dein Wunsch, andere Sektenopfer an deiner Geschichte teilhaben zu lassen, zeugen von großer Empathie und Wertschätzung. Du bist nicht nur eine Überlebende, sondern auch eine Kämpferin, die vielen anderen Opfern der JW org Sekte alias Zeugen Jehovas Mut machen wird.

    Lass dich bitte nicht entmutigen, auch wenn der Weg manchmal so richtig steinig und lang erscheint – du hast schon so viele Fortschritte erfolgreich gemeistert! Deine Geschichte ist ebenso wertvoll wie wichtig und verdient es auf jeden Fall, gehört zu werden. Sie wird anderen, die ähnliche Traumata erlebt haben, Trost und Hoffnung spenden. Habe bitte Geduld mit dir selbst und mit dem Prozess der Veröffentlichung. Du bist auf einem guten Weg, und dein Buch wird für viele ein wertvoller Stein in der Steinschleuder gegen Unrecht und Schweigen sein.

    Bleib bitte dran, liebe Esther! Du hast so viel zu geben, und deine Stimme zählt. Ich wünsche dir weiterhin Kraft, Zuversicht und viele liebe Menschen an deiner Seite, auf welche du dich jederzeit verlassen kannst. Du bist mit Sicherheit nicht allein!

    • Esther Gebhard Autor des BeitragsAntworten

      Danke für deine Zeilen, liebe Doris.

      Herzliche Grüsse, Esther

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