
Jetzt schreibt sie auch noch…
Es muss im Jahr 2015 gewesen sein.
Eines Nachts überkam mich die Idee, meine Geschichte aufzuschreiben.
Um nicht zu vergessen und um meinen Kindern eines Tages die Möglichkeit zu geben, ihre Mutter besser zu verstehen. Wer wünscht sich nicht, dass einen die Kinder verstehen? Sprechen konnte ich viele Jahre nicht über meine Vergangenheit, also fing ich an, meine Erinnerungen zu Papier zu bringen.
Stunden- und nächtelang tippte ich wie wild in die Tasten meines Laptops.
Ich fing vorne an und hörte hinten auf. Ganz einfach! Am Ende waren es 264 Seiten.
Für die Schublade allein? Das sollte so nicht sein!
Meine liebe Freundin Lola, ihres Zeichens Schriftstellerin, Autorin, Journalistin und Tausendsassa las mein Skript und sagte: „Esther, vorne
anfangen und hinten aufhören ist zu einfach! Das machen wir jetzt gemeinsam in Schön fertig! Diese Geschichte muss gelesen werden!“
„In Schön“ heißt so viel wie: richtige Grammatik, Zeitform, Stilistik, Inhalte.
Alles, was ein gutes Buch ausmacht. Denn das Handwerk des Schreibens ist eben – wie der Name sagt – ein Handwerk, welches ich natürlich nicht beherrschte. Auch mein „Wachtturm-Sprech“ bedarf an mancher Stelle Erklärungen.
Denn Außenstehende verstehen oftmals nicht, was für mich sonnenklar ist.
Seit diesem Moment zerpflückt Lola meine Geschichte. Stellt Fragen nach Umständen, Erinnerungen, Niedergeschriebenes aus meinem Tagebuch und Gefühlen. „Wie sah es da aus? Was hast du gesehen? Und vor Allem: Was hast du gefühlt?“
Es ist oft schwer. Und es wird schwer werden. Das Abtauchen in vergangene Zeiten samt verdrängter Erinnerungen. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren habe ich mein Tagebuch hervorgeholt, das mich als Jugendliche begleitete. In das ich all meine Gedanken und Gefühle schrieb.
Über 30 Jahre schleppte ich es in meiner Erinnerungskiste bei jedem Umzug mit, ohne jemals reinzusehen. Doch nun musste ich. Und was ich da las, war nicht immer schön. Aber es hilft mir dabei, mich besser zu erinnern. Um mich besser zu verstehen. Um Leser:innen mit auf meine Zeitreise nehmen zu können.
Was ich noch feststellen musste: Das längst verarbeitet geglaubte ist zum Teil nicht verarbeitet. Es holt mich wieder ein. Das Schreiben und Arbeiten an diesem Buch ist für mich eine wiederholte Aufarbeitungs- und Trauerzeit. Und dafür nehme ich regelmäßig Hilfe in Anspruch.
Einige Bücher sind in den letzten Jahren von Aussteigern der Zeugen Jehovas zu diesem Thema erschienen. Ist noch nicht alles gesagt und geschrieben? Muss ich meine Geschichte nun auch noch erzählen? Lola sagt: „JA! DU MUSST!“
Denn jede Geschichte ist eine andere. Wir haben alle Ähnliches und doch ganz Unterschiedliches erlebt. Auf meinen Buchseiten spannt sich eine Lebensgeschichte von Kindheit über Jugend, bis hin ins Erwachsenenalter. Stand heute: 47 Jahre! In einem Buch. Mein Leben, mein Buch.
Ich würde dir hier gerne ab und an von meinem Projekt erzählen.
Deshalb freue ich mich, wenn du immer wieder hier vorbeischaust. Vielleicht kann ich dann
schon Neues berichten.
Deine Esther